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AutorenbildDan Apus Monoceros

Wo wir hingehören

Wahlfamilie ist wo wir uns wohlfühlen

by Dan Apus Monoceros


Alle Jahre wieder: Die Jahreszeit der Familienfeste steht vor der Tür. Einige werden wohl queer durch die Republik fahren um ihre Verwandtschaft zu sehen, mit ihnen zu essen, Geschenke auszutauschen und eine schöne Zeit zu haben. Manche werden sich sicher auch mit ihnen streiten, denn nur weil man ein paar Gene miteinander teilt, heißt das ja nicht, dass man auch die gleichen Werte und Weltanschauungen hat.


Aber nicht jeder hat eine Familie oder kann und/oder möchte diese besuchen. Vielleicht haben einige mit ihren Verwandten gebrochen, vielleicht sind sie einfach zu weit weg und manche haben nie welche gehabt oder diese kennen gelernt. Gerade in der LGBTQ-Welt scheint dies doch etwas häufiger vorzukommen, als in manch anderem Umfeld.


Es gibt aber nicht nur die Familie, in der wir geboren wurden, sondern auch die Familie, die wir uns suchen und mit der Zeit selber aufbauen. Und mit dieser Familie möchte ich mich in diesem Artikel mit euch beschäftigen.


In Vorbereitung auf diesen Artikel habe ich eine kleine, nicht-repräsentative Umfrage gestartet, wobei die Ergebnisse hier mit einfließen werden. Außerdem möchte ich in diesem Artikel

  1. die (Wahl-) Familie definieren und verstehen

  2. verschiedene Aspekte von Wahlfamilien beleuchten

  3. die Wahlfamilie mit unserer genetischen vergleichen

  4. Hinterfragen, wieso der Aspekt der Wahl so wichtig ist

  5. Uns die Kehrseite der Medaille anschauen

  6. Und uns die Frage stellen, wie man eine Wahlfamilie erfolgreich gestaltet


Die Umfrage

Ich selber lebe seit mehreren Jahren in einer Wahlfamilie. Da ich aber nicht von mir auf andere schließen oder verallgemeinern möchte, habe ich eine kleine, nicht repräsentative Umfrage gestartet, auf die ich 28 Rückmeldungen erhalten habe.


Die Umfrage habe ich im Netzwerk und Umfeld des gay-BDSM.clubs gestreut. Entsprechend kann man hier keine Rückschlüsse für die Gesamtbevölkerung annehmen.


Dies wurde auch in der Umfrage bestätigt, wo 78,6% der Teilnehmer angaben, männlich zu sein und nur 14,3% weiblich (7,2% hatten ein anderes Geschlecht). Außerdem gaben nur 7,1% an heterosexuell zu sein. 67,9% gaben an, kinky zu sein. Als nicht-monogam bezeichneten sich 42,9% der Teilnehmer. 32,1% der Teilnehmer waren bis 24 Jahre. Ein gleich großer Anteil war zwischen 25 und 34 Jahren. Und ein nochmals entsprechend gleich großer Anteil war über 35 Jahre.


Von allen Teilnehmern haben 46,4 % der Teilnehmer angegeben, derzeit oder in der Vergangenheit in einer Wahlfamilie zu leben oder gelebt zu haben. 32,1 % wären gerne in einer und der Rest ist unentschlossen oder denkt eher nicht in einer leben zu wollen. Diejenigen, die bereits Erfahrungen mit einer Wahlfamilie haben, haben einen detaillierten Fragebogen ausgefüllt. Die anderen sind zu ein paar allgemeinen Fragen gekommen.


Was ist eine Wahlfamilie?

Abweichend von unserer genetischen Familie gibt es im Laufe unseres Lebens immer wieder Netzwerke von Menschen, denen wir uns zugehörig fühlen, teilweise sogar mehr als denen, wo wir herkommen. Damit meine ich nun nicht den Partner:In, sondern einen Zusammenschluss aus Menschen, die nicht zwangsweise auch sexuellen Kontakt pflegen, aber auf ihre Weise einander lieben.

Ergebnisse aus unserer Umfrage:

Wir haben diejenigen gefragt, die derzeit oder in der Vergangenheit in einer Wahlfamilie waren, wie glücklich sie hierbei waren. Alle waren "immer'' oder “meistens” “sehr glücklich”!

Eine mögliche Definition

Es gibt eine Vielzahl von Definitionen, wobei etliche die Zugehörigkeit von Eltern und Kindern in den Mittelpunkt stellen und nur wenige Familien als abstraktes Modell nicht verwandter Personen verstehen.

Folgende Definition habe ich dabei für mich aufgestellt:

Abstrakter gehalten kann man sagen, dass eine Wahlfamilie aus mehreren Menschen besteht, die sich einander zugehörig fühlen, regelmäßig miteinander interagieren und sich gegenseitig unterstützen, unabhängig von der situativen Sympathie.

Was ich hiermit ausdrücken möchte, ist, dass es um ein höheres Konstrukt geht, was hinter dem liegt, was mehr ist als eine Freundschaft, gegenseitiger Nutzen oder Sympathie. Wenn man sich mit einem Freund zerstreitet, kann man sich einen neuen suchen. Familie kann man sich hingegen nicht so leicht aussuchen.

Dies trifft auch bei einer Wahlfamilie zu. Man kann sie sich zwar aussuchen, aber wenn man sich erstmal einer Familie angeschlossen hat, so ist man dieser auch verbunden und verpflichtet. Man kann sie zwar wieder verlassen, aber meistens fällt dies schwer. Einzelne Mitglieder kann man sich hingegen nicht aussuchen. Es ist eine Art Verpflichtung, der man sich unterordnet, auch wenn es einem gerade vielleicht nicht in den Kram passt.

Verpflichtung auf mehreren Ebenen

Häufig teilen sie Ressourcen miteinander, übernehmen füreinander schützende oder fördernde Funktionen und stehen füreinander ein. Sie verschreiben sich quasi der Familie und somit allen Mitgliedern der Familie. Die Werte gehen ineinander über.

Sie verfolgen prinzipiell gemeinsame Werte und Vorstellungen, müssen aber nicht im Detail der gleichen Meinung sein. Unstimmigkeiten gehören dazu und können die Familie bereichern und der Familie neue Sichtweisen und Werte geben… oder sie können auch die Familie entzweien. Somit ist eine Familie nicht ein festes Konstrukt, sondern entwickelt sich über die Zeit. Die einzelnen Mitglieder können auch mit nicht-Familienmitgliedern interagieren, wobei diese externen Interaktionen weniger nachhaltig zu verstehen sind, wie die Bindung in der Familie, es sei denn es entsteht eine ebenso starke Bindung mit dem externen, der dann ebenfalls Teil der Familie, Verwandtschaft wird.

Durch die hohe Verpflichtung geht man zusammen eben auch durch dick und dünn. Man teilt miteinander die guten, wie auch die schlechten Dinge. Es ist also nicht immer leicht, aber überwiegend wird man dadurch belohnt.

Aber diese Verpflichtung wird belohnt. Bei unserer Umfrage waren alle Befragten “immer” oder “meistens sehr glücklich”. Überwältigend schönes Ergebnis, welches uns später häufig noch weiter bestätigt wurde im Rahmen von anderen Fragen.

Benennen, Inhalte & Gemeinsamkeiten

Es gibt viele Namen dafür: dies fängt bei typischen Familienbegriffen an, wie “mein (nicht leiblicher) Bruder/Schwester”, “meine Geschwisterschaft”, “meine [poly / rope / BDSM / kinky / leather / Drag / FF / …] Familie”, “mein Rudel”, “House of [irgend ein Name]”, “meine Homies” usw. Es gibt sehr, sehr viele Namen. Um es einheitlich zu halten, nennen wir diese sozialen Konstrukte nun Wahlfamilien.

Der Name ist aber gar nicht so unbedeutend. Häufig steckt in ihm das zentrale Element der Familie mit drin, um die es bei dieser Gruppe an Menschen geht. So hat die Leather Family wahrscheinlich etwas mit Leder zu tun, die Rope-Familie mit Shibari und das Rudel wahrscheinlich etwas mit Puppys.

Es gibt aber auch Namen, die sich eher um eine spezifische Person drehen, wie das “House of Spot”, wobei Spot hierbei das Familienoberhaupt ist und dies eine Art Entscheidungsstruktur und den Gestaltungsrahmen eben von Spot darstellt.

Selbst wenn es ein zentrales Thema gibt, wie bei einer Leather-Family, so muss dieses nicht immer bei allen Mitgliedern gleich stark ausgeprägt sein. Es kann über die Jahre auch komplett an Bedeutung verlieren. Der Zusammenhalt zwischen den Menschen ist das, was es eigentlich besonders macht.

In unseren Umfragen haben wir gefragt, was die fundamentalen Gemeinsamkeiten der Wahlfamilien sind. Am häufigsten genannten Elemente waren die Polyamorie (8) und verschiedene Kinks (7), wobei das “Puppy sein” mehrfach erwähnt wurde.

Außerdem wollten wir weitere Gemeinsamkeiten wissen. Hier wurden die bereits erwähnten Elemente wiederholt und erweitert. Interessanterweise wurde mehrfach dabei ein gehobener Bildungsgrad in Verbindung mit sexueller Experimentierfreudigkeit erwähnt. Es gab aber auch Häufungen von Themen, wie Kuscheln, Kulturevents, gutes Essen, Natur oder andere Freizeitaktivitäten, die außerhalb des sexuellen Rahmens stattfanden. Auch gemeinsame Werte wurden genannt, wie Toleranz, Offenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen oder Verständnis.

Das Ergebnis ist nun nicht überraschend, aber es zeigt schön, dass wir hier auf der richtigen Spur sind und die Menschen, die sich eben weit mehr als mögen, auch zusammen finden können und gemeinsame Themen für sich finden. Aber eben auch, dass es später nicht nur um ein Thema geht, sondern um den Zusammenhalt in dieser Gruppe, eben wie bei einer biologischen Familie.

Eine Familie für die Ewigkeit

Eine Familie ist eigentlich für die Ewigkeit definiert. Eine Ewigkeit ist aber eine lange Zeit. Eine Familie kann sich entwickeln und verändern. Sie kann dir mehr oder weniger gefallen und du kannst dich darin wohler oder unwohler fühlen. Aber normalerweise sterben sie nicht aus. Das heißt, man ist quasi ein Leben lang in der Familie, selbst wenn sich die Wege später trennen. Daher wollte ich mal wissen, wie lange die Teilnehmer bereits in der Wahlfamilie sind.

Ein Anteil von 23,1 % sind seit mehr als 5 Jahren in einer Wahlfamilie. Genau gleich viele sind aber auch noch nicht mal 1 Jahr in einer Wahlfamilie. Die Mehrheit von 53,9% sind zwischen 1 und 3 Jahren Teil einer Familie.

Das ist zwar noch keine Ewigkeit und ich bin wirklich gespannt, ob diese langfristige Verpflichtung nun auch wirklich lange hält oder ob sie dann bald wieder weg ist… Aber wenn ich mir überlege, wie lange meine ersten schwulen Beziehungen gehalten haben, dann sind 3 Jahre ja doch fast eine Ewigkeit ;)

Ein Ersatz für die genetische Familie?

Teilweise sind Wahlfamilien ein Ersatz für die genetische Familie, z.B. wenn man die Heimat verlassen hat oder mit dieser kein gutes Verhältnis pflegt. Also nicht verwunderlich, dass gerade auch in der Kink- und LGBTQ-Welt Wahlfamilien ein Thema sind. Viele Menschen erfahren hier zuhause Unverständnis oder gar negative Reaktionen auf ihr Outing, sie werden diskriminiert in dem Dorf in dem sie leben oder sie fühlen nicht, dass sie sich dort entfalten können, wo sie geboren sind und ziehen dann in eine andere Stadt, manchmal eine Großstadt.

Die Wahlfamilie kann helfen und bietet dann ein passendes Umfeld, in dem man - ähnlich einer genetischen Familie - sich entwickeln und entfalten kann. Da die Mitglieder aber die Ergebnisse einer freien Wahl sind, kann man sich mit diesen eher identifizieren, gemeinsame Interessen verbinden, man kann offen sein und sich gegenseitig inspirieren und sich so weiterentwickeln.

In unserer Umfrage haben wir Euch gefragt, wie ihr zu eurer genetischen Familie steht. Bei diesem Teil haben wir nur Teilnehmer gefragt, die in einer Wahlfamilie leben und 8 haben geantwortet. Auf die Frage, ob sie mit ihrer genetischen Familie glücklich sind, haben lediglich zwei mit “ja sehr” geantwortet. Alle anderen waren eher neutral bis unglücklich mit ihrer leiblichen Familie. Und auch der direkte Vergleich zwischen Wahlfamilie und genetischer Familie war eher ernüchternd. Für einen war der Vergleich nicht möglich. Alle anderen waren sich einig: die Wahlfamilie ist für sie die einzig wahre oder würden sie sich zumindest im Zweifel ihrer genetischen Familie bevorzugen.

Das Ergebnis ist natürlich nicht repräsentativ. Aber zumindest für jene scheint die Entscheidung klar zu sein.

Der Aspekt der Wahl und weitere Vorteile

Auch wenn die Gemeinsamkeiten fundamental scheinen, so kommt bei der Wahlfamilie ein sehr wichtiger Aspekt hinzu: die Familienmitglieder sind nicht willkürlich zusammengewürfelt, sie wählen einander.

Meistens kann ein einzelnes Mitglied nicht alle anderen Mitglieder aussuchen. In Sonderfällen mag dies zwar so sein (zum Beispiel kann dies ein Master, wenn er seine Sklaven und Switcher darunter bestimmen), meistens gibt es aber formelle oder informelle Prozesse, wie die anderen integriert werden. Denn die bestehenden Mitglieder sind ja bereits Familie und für die Familie will man ja nur das Beste.

In jedem Fall kann aber das neue Mitglied immer selbst bestimmen, ob es überhaupt Mitglied der Wahlfamilie werden möchte oder nicht.

Wieso wollen die Menschen Mitglied einer Wahlfamilie werden?

Sicher hat jeder seine eigenen Gründe, wieso er in einer Wahlfamilie ist. Ich habe daher Euch gefragt und getrennt diejenigen mit einer Wahlfamilie denjenigen ohne einer Wahlfamilie gegenübergestellt. Sind die Erwartungen von denen, die in eine Wahlfamilie wollen, realistisch?

Vorab haben wir frei gefragt, was die wichtigsten Aspekte einer Wahlfamilie sind. Ich habe diese zu Kategorien zusammengefasst und es wurden primär Aspekte der folgenden 3 Bereiche genannt:

  1. Der Aspekt, dass man eine Wahl hat! (mit: 23,1% / ohne: 44,4 %):

  2. Akzeptanz und Zugehörigkeit, wie man ist (mit: 23,1% / ohne: 33,3%)

  3. Klassische Familienwerte, wie Informations- und Ressourcenaustausch, Arbeitsteilung, Absicherung und Unterstützung (mit: 30,7% / ohne: 11,1%)

Es ist interessant zu sehen, dass sich beide Gruppen grundsätzlich einig sind, dass die Punkte “Wahl” und “Zugehörigkeit” unter den Top3 Aspekten sind. Der wichtigste Punkt für diejenigen mit einer Wahlfamilie sind aber die “klassischen Familienwerte”. Dieser Punkt taucht bei denjenigen, die keine Wahlfamilie haben, jedoch lediglich ein einziges Mal auf und scheint somit relativ unbedeutend.

Vielleicht mag dies daran liegen, dass diese Menschen klassische Familienwerte derzeit nur von ihrer leiblichen Familie kennen. Vielleicht sind deren Erfahrungen dort eher nicht so gut und vielleicht ist die Wichtigkeit daher eher zurückgegangen. Vielleicht wird sich das ändern, wenn sie in einer Wahlfamilie sind und merken, dass klassische Familienwerte mit den gewählten Menschen plötzlich an Bedeutung gewinnen. Vielleicht sind solche Werte aber auch allgemein für diese Menschen (noch) nicht so sehr von Bedeutung. Leider gibt unsere Umfrage hierzu keine Antwort.

Auf die Frage “wie wichtig sind die folgenden Vorteile einer Wahlfamilie”, waren sich beide Gruppen einig, dass der Aspekt, dass man “für einen da ist, wenn man sie braucht!” wichtig oder sehr wichtig ist. Bei denjenigen ohne Wahlfamilie waren 100% bei “sehr wichtig”. Auch wenn dieser Aspekt bei denjenigen mit Erfahrung ein klein bisschen weniger wichtig ist (92,8% sehen diesen als wichtig oder sehr wichtig an),, so haben jedoch eine überwältigende Mehrheit von 92,3% bestätigt, dass dies “voll und ganz” zutrifft und der Rest zumindest dass dies eher zutrifft.

Ein sehr vergleichbares Ergebnis gab es auf die Frage, ob sie einem das "Gefühl der Zugehörigkeit” gibt. Dies wurde von 100% derjenigen ohne Erfahrung als wichtig oder sehr wichtig geprägt (84,6% derjenigen mit Erfahrungen) und von 100% derjenigen mit Erfahrungen bestätigt.

Ebenfalls 100% der Unerfahrenen und 92,3% derjenigen mit Erfahrungen gaben die “Hilfe bei der persönlichen Entwicklung” als mindestens “wichtigen” Faktor an. 86,7% derjenigen mit Erfahrung haben bestätigt, dass dies auch zutrifft.

Die Frage, wie wichtig “Tipps und Informationen” sind, wurde von der Gruppe mit Erfahrung eher gespalten beantwortet und einige fanden dies “sehr wichtig”, andere eher “geht so”. Liegt dies vielleicht daran, dass manche Wahlfamilien einfach sehr gute Informationsquellen sind und andere vielleicht eher weniger? Wie dem auch sei, bei jenen ohne Wahlfamilie war hingegen eine klare Mehrheit bei “wichtig” (66,7%). Vielleicht wird sich deren Meinung dann, je nachdem in welche Wahlfamilie sie kommen, in die eine oder andere Richtung verschieben.

Die Kehrseite der Medaille?

Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Wir haben euch daher nach der Kehrseite der Medaille gefragt. Auch wenn die meisten (33,3%) keine klaren Nachteile benennen konnten oder sahen, so wurden folgende 4 Punkte jeweils von 16,7% genannt:

  • Es fehlt ein Fundament, bzw. muss man dieses erst aufbauen (2x)

  • Es gibt eben auch Konflikte und Streitereien (2x)

  • Dass man viel reden und sich austauschen muss, was Zeit und Energie braucht (2x)

  • Akzeptanzprobleme in der restlichen Gesellschaft und bei der genetischen Familie (2x)

Gefühlt muss ich aber sagen, dass die ersten drei Punkte auch bei den genetischen Familien zutreffen, zumindest meine, steht meiner Wahlfamilie in nichts hinterher, was Konflikte, Gesprächsbedarf und unterschiedliche Wertvorstellungen betrifft. Ja, wir tragen die gleichen Gene, aber dies scheint uns nicht wirklich zusammen zu schweißen oder ein gemeinsames Fundament zu geben…

Aber der letzte Punkt, die gesellschaftliche Akzeptanz, ist definitiv ein Problem, dem wir uns zu häufig bereits entgegen stellen mussten und der uns vielleicht sogar erst in die Wahlfamilie gebracht hat. Aber selbst wenn die Wahlfamilie gesellschaftlich aneckt und nicht akzeptiert wird, so kann man zumindest sagen, dass man gemeinsam in der Familie das Problem hat und aushält und nicht innerhalb der Familie sich behaupten und gegen diese ankämpfen muss. Daher hat mich auch interessiert…

Wie schafft ihr es, die Verbindung innerhalb der Wahlfamilie aufrechtzuerhalten?

Ihr habt es benannt, was ihr macht, um euch verbunden zu fühlen!

Nicht sonderlich überraschend auf dem ersten Platz ist: Kommunikation (46,2%)! Dabei aber nicht nur Reden, sondern alle Wege, die dazu gehören, wie Zuhören, das Ansprechen von Problemen, non-verbale Kommunikation, über Gefühle zu sprechen oder Gruppengespräche.

Ebenfalls auf dem ersten Platz und aus meiner Sicht als Coach auch nicht weniger wichtig ist die gemeinsame Zeit. Dabei ist es egal, ob ihr zusammen Sport macht, Business oder Fistet. Wichtig ist euch dabei auch der körperliche Kontakt und die Aktivität, wobei sexuelle Handlungen weit weniger häufig genannt wurden, als man denken mag.

Auch toll ist es, dass ihr auf weitere wichtige Aspekte eingegangen seid. In der Nennungshäufigkeit sind diese zwar viel geringer, aber sie sind dennoch sehr wichtig, wie “Vertrauen”, “anderen zu verzeihen”, “über Fehler hinwegsehen” oder “sich selbst zu reflektieren”.

Im Paar Coaching nennt man solche Aspekte auch das Wohlwollen, also die Bereitschaft, die eigenen Zweifel und Bedürfnisse hinten anzustellen, nicht alles auf eine Goldwaage zu legen und Dinge positiv zu interpretieren oder ins Positive zu kehren. Wenn ihr ein hohes Wohlwollen gegenüber eurem Partner oder Eurer Familie pflegt, wird die Beziehung langfristig weiter florieren. Andersrum ist Feindseligkeit, das Gegenstück zu wohlwollen, ein statistisch relevanter Indikator dafür, dass eine Beziehung kriselt. Spürt ihr sie, solltet ihr also darüber reden. Habt ihr hingegen wohlwollen, so verbringt mehr Zeit miteinander, um eure Verbindung weiter zu stärken.

Ein Fazit

Sicher mag jeder eine eigene Meinung dazu haben, was für ihn die Familie ist und mit welchen Menschen er sich hier umgeben möchte. Für mich sollte eine Familie einen immer so akzeptieren, wie wir sind und uns dabei unterstützen, derjenige zu werden, der wir wirklich sind. Sie sollten uns nicht verformen und verbiegen, uns nicht abschotten oder Schranken setzen, sondern uns die Kraft und Energie geben, die wir brauchen, um uns voll zu entfalten. Sie sollte aber auch da sein, wenn wir sie brauchen und uns halten und auffangen, wenn wir fallen. Wer dieses soziale Netzwerk aus Menschen gefunden hat, der sollte mit Wohlwollen stetig an ihm arbeiten, Probleme ansprechen und Zeit und Energie seinerseits investieren. Nur so schaffen wir auch für andere die gleichen oder sogar bessere Möglichkeiten, sich zu entfalten, wie wir dies für uns wünschen.


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